Eines der langjährigen Werke von OtGO (Otgonbayar Ershuu)
(Mongolei: 1998–2005, Deutschland: seit 2005, Malta: 2023–2024) ist
seine „Geheime Geschichte der Mongolen – erzählt im Stil mongolischer
Malerei als Comic“
Einleitung
Bis zum Ende des Sozialismus galt in der Mongolei das Thema Tschingis
Chaan (Dschingis Khaan) weitgehend als tabu. Personen, die sich
öffentlich darüber hinwegsetzten, wurden gemaßregelt und Repressalien
ausgesetzt, die bis zum Berufsverbot reichten.
Erst seit der Wende 1989 genießen die Mongolen die Freiheiten, die sie
sich immer gewünscht hatten. Plötzlich wurden sowohl wissenschaftliche,
als auch literarische Bücher über Tschingis Chaan sowie über seine
Nachfolger veröffentlicht. Allein zur „Geheimem Geschichte der
Mongolen“ wurden seit 1990 zahlreiche wissenschaftliche Projekte
verwirklicht, die von staatlicher Seite initiiert und gefördert wurden.
Heute ist dieses Werk in der Mongolei so populär wie nie zuvor, und man
kann davon ausgehen, dass es bei den meisten Familien, unabhängig von
ihrem Bildungsstand, seinen Platz gefunden hat. Ob das Werk immer gern
gelesen und auch verstanden wird, ist eine andere Frage, denn es
fordert nicht nur Jugendlichen, sondern selbst Erwachsenen mit
akademischem Hintergrund beachtliche Anstrengung beim Lesen ab. Meine
damalige Geschichtslehrerin sagte oft: „Um dieses Werk einigermaßen zu
verstehen, muss man es mehrmals lesen.“
Zum ersten Mal habe ich die„Geheime Geschichte“ vor 36 Jahren gelesen.
Da ich schon damals an Geschichte interessiert war, war es für mich
selbstverständlich, dieses Buch zu lesen, ohne das die mongolische
Geschichte sehr schwer vorstellbar ist. Obwohl der altertümliche Text
des Buches damals bereits in moderner mongolischer Sprache vorlag, war
er für mich als neunjähriges Kind sehr schwer zu verstehen. Es handelt
sich dabei um eine alte Chronik, die die Ereignisse im Stammland der
Mongolen vom 8. Jahrhundert an verfolgt, in erster Linie aber dem Leben
Tschingis Chaans gewidmet ist. Es enthält eine Fülle von Namen
historischer Personen und mythologischer Gestalten und – was die
sprachliche Ebene betrifft – zahlreiche archaische Ausdrücke,
Sprichwörter und Redewendungen, die heute nicht mehr gebräuchlich sind.
In diesem Sinne fasste ich schon 1998, gleich nach dem Abschluss meines
Kunststudiums in Ulaanbaatar, den Entschluss, den Inhalt dieses
bedeutenden Werks als Comic zu verarbeiten, damit die Geschichte für
alle Altersgruppen verständlicher und interessanter wird, denn für
viele Menschen ist die bildliche Wahrnehmung einfacher und prägnanter
als Wort und Schrift.
Die „Geheime Geschichte“ als kulturhistorische Vorlage für das Buch
Die „Geheime Geschichte“ ist nicht nur das älteste und bedeutendste
Literaturwerk der Mongolen, sondern auch die einzige erhalten
gebliebene Überlieferung aus der Zeit der mongolischen Reichsgründung.
Sie ist Mythos, Epos und Chronik zugleich, enthält aber ursprünglich
keine Illustrationen.
Das Werk wurde vor ca. 800 Jahren verfasst. Der Verfasser ist
unbekannt, wahrscheinlich handelt es sich um mehrere Autoren, die
vermutlich zum Kreise der Tschingis Chaan nahe stehenden Personen
gehörten. Die sachlichen Darstellungen werden aufgelockert durch
zahlreiche bildhafte Ausdrücke, Sprichwörter und alliterierende
Gedichte, die von der hoch entwickelten Dichtkunst der Mongolen des 13.
Jh. zeugen.
Das Original der„Geheimen Geschichte“ wurde bisher nicht gefunden. Die
einzige erhaltene Fassung, die allen späteren Bearbeitungen als Vorlage
diente, wurde in mongolischer Sprache, nicht aber in mongolischer
Schrift verfasst. Vielmehr wurde der Text der damaligen mongolischen
Aussprache entsprechend mit chinesischen Schriftzeichen wiedergegeben
und mit einer Zusammenfassung in chinesischer Sprache versehen.
Historischer Exkurs über das Buch
Anfang der siebziger Jahre des 14. Jh., als die mongolische
Yuan-Dynastie nach ca. 130 jähriger Herrschaft über China gestürzt
wurde, flohen die Mongolen aus China in ihre ursprüngliche Heimat
zurück. Vermutlich ist bei den Wirren des Rückzugs und der Vertreibung
eine Abschrift der „Geheimen Geschichte“ in China zurückgeblieben. Da
das Werk die Jahrhunderte unbeschadet überstanden hat, kann man
vermuten, dass es schon damals als künstlerisch wertvoll oder zumindest
als nützlich angesehen wurde. Vielleicht wurde es als wertvolles
Informationsmaterial über die Mongolen angesehen worden sein, das ihnen
half, den noch immer als gefährlich geltenden Mongolen besser
vorbereitet begegnen zu können.
Die erwähnte Abschrift der „Geheimen Geschichte“ wurde seit 1368 durch
Wissenschaftler aus aller Welt mühsam rekonstruiert und in mehrere
Sprachen übersetzt.
Der deutsche Sinologe Erich Haenisch übersetzte Anfang der dreißiger
Jahre die „Geheime Geschichte“ erstmals komplett ins Deutsche. Seine
Übersetzung wurde seitdem von mehreren deutschen Wissenschaftlern
überarbeitet und neu herausgegeben. Wie der mongolische Originaltext,
so ist und bleibt jedoch die deutsche Übersetzung aufgrund ihrer
sprachlichen Spezifik schwer zu verstehen.
Erst danach übertrug der mongolische Wissenschaftler Tsendiin
Damdinsüren die rekonstruierte alte Fassung auch in die moderne
mongolische Sprache und veröffentlichte sie 1947.
The Secret History of the Mongols 750 – 1240
One of the longtime (Mongolia: 1998
– 2005, Germany: since 2005, Malta: 2023–2024)
works of OtGO (Otgonbayar Ershuu)
has been his “Secret History of the Mongols – related in the style of
Mongolian painting as a comic.” This comic consists of about 24 pages,
which are divided into 12 chapters. Each page features several pictures
amounting to a work of about altogether 3000 ink drawings. The “Secret
History of the Mongols” was written about 800 years ago and is
considered the oldest and most significant Mongolian work of literature
– as myth, epos and chronic all at once. It did not contain any
illustrations originally. In order to make this history more
comprehensive and interesting for all ages, OtGO decided to transform
the content of this significant work into Mongolian miniature painting.
The idea emerged from his belief that the viewing of images is often
easier than reading. One of his main concerns during the development of
the comic was to portray ethnic features of the Mongols as well as
historical facts and artifacts as precisely and genuine as possible.
Therefore he had to pursue extensive researches which lead him into
various different academic areas. By including miniature painting in
his work he intended to capture something characteristically and
traditionally Mongolian.