GÖSCHENER
ZYKLUS
1,2,3,4,5 by OtGO 2023, acryl on
canvas. 180 x 650 cm. je 180 x 130 cm OTGÖSCHENEN
The
180 by 650 cm tall 'GÖSCHENER ZYKLUS 1,2,3,4,5‘ consists of 5
equal-sized
single paintings, each measuring 180 by 130 cm.
OtGO as an Artist in Residence from May 1st to June 30th, 2023 The
Charitable Foundation Stiftung Kunstdepot, Göschenen, Switzerland
OTGÖSCHENEN Cathedral,
Kunstdepot Göschenen Uri Switzerland
GÖSCHENER
ZYKLUS 1,2,3,4,5
by OtGO 2023
acryl on canvas consists of 5 equal-sized single paintings,
each measuring 180 by 130 cm. URITÜR
by OtGO 2023 acryl on wood consists of 2 equal-sized
single paintings,
each measuring 171 by 44,5 cm. OtGO as an Artist in
Residence from May 1st to June 30th, 2023 The Charitable Foundation Stiftung
Kunstdepot, Göschenen, Switzerland. YouTube:
https://youtu.be/AEW8CWcI1cc
Urner Wochenblatt | 147. Jahrgang |
Nr. 61 | Samstag, 5. August 2023
In
sich ruhend Kraft des Malens folgen
Sie heissen «Otgöschenen 1, 2, 3, 4, 5»: fünf grossformatige Bilder
(Acryl auf Leinwand) in den exakt selben Massen 180 x 130 Zentimeter.
Davor, wie ein Portal, hängen zwei ebenfalls gleich grosse Gemälde
(171 x 44,5 Zentimeter, Acryl auf Holz). Der Künstler hat diese beiden
«Uritür» genannt. Otgonbayar Ershuu oder besser OtGO, wie er sich in
Kurzform nennt, hat alle sieben Werke in nur zwei Monaten geschaffen,
in denen er als sogenannter «Artist in Residence» im Kunstdepot
Göschenen zu Gast war. Es war nicht der erste Aufenthalt des
aufgeschlossenen Mannes aus Berlin im Kanton Uri. Er fühlt sich hier
wohl und schätzt vor allem die Nähe zur ursprünglichen
Natur, mit der er sich seit seiner Kindheit und Jugend in seiner Heimat
Mongolei tief verbunden fühlt. Sie gibt ihm die innere Gelassenheit
und Kraft, die der Buddhist für seine Miniaturmalerei braucht, um ganz
in sich selbst ruhend eine farbintensive Welt aus Tausenden Figuren,
Tieren und filigranen Mustern zu schaffen.
OTGÖSCHENEN Cathedral,
Kunstdepot Göschenen Uri Switzerland
GÖSCHENER
ZYKLUS 1,2,3,4,5
by OtGO 2023
acryl on canvas consists of 5 equal-sized single paintings,
each measuring 180 by 130 cm. URITÜR
by OtGO 2023 acryl on wood consists of 2 equal-sized
single paintings,
each measuring 171 by 44,5 cm. OtGO as an Artist in
Residence from May 1st to June 30th, 2023 The Charitable Foundation Stiftung
Kunstdepot, Göschenen, Switzerland. YouTube:
https://youtu.be/AEW8CWcI1cc
Göschenen | Mongolischer Künstler
OtGO schuf während zweier Monate im Kunstdepot fünf imposante
«Otgöschenen-Bilder»
Hinter
«Uritür» öffnet sich die Welt im Dickicht der Miniaturmalerei
Franka Kruse
Er selbst nennt es «Otgöschenen
Cathedral», was man versteht, wenn man
sein Atelier auf Zeit im Kunstdepot Göschenen betritt und einen beim
ersten Anblick das Gefühl beschleicht, etwas Erhabenem
gegenüberzustehen. Der hohe Dachgiebel im ehemaligen Zeughaus am
Ausgang des Dorfes gibt dem Raum, in dem das neueste Werk des
mongolischen Künstlers OtGO während nur zweier Monate, vom 1. Mai bis
zum 30. Juni, entstanden ist, tatsächlich etwas von einem grossen
Kirchenschiff. Hier hängen die fünf Bilder seiner Serie
«Otgöschenen» so
aneinandergereiht, das sie mit den beiden
Seitenbildern «Uritür»
eine Art Raum im Raum zu bilden scheinen.
Der mongolische Künstler Otgonbayar Ershuu mag das Spiel mit Worten
und Buchstaben. Aus seinem Künstlernamen Otgo ist inzwischen OtGO
geworden, was seiner Leidenschaft fürs Gehen augenzwinkernd
zusätzlichen Ausdruck verleiht; aus der Krake, dem Oktopus, der immer
wieder seine Bilder wie in Schwärmen durchzieht, macht er einen
«OtGOpus» – und aus Otgo in
Göschenen wird eben «Otgöschenen»:
fünf
Gemälde Acryl auf Leinwand in den exakt selben Massen 180 x 130
Zentimeter.
Tief
mit der Natur verbunden
Der Wahlberliner
fühlt sich sichtlich wohl in Uri. Es ist nicht sein erster Aufenthalt
hier. Genau vor einem Jahr machte er sich mit seiner offenen und
kommunikativen
Umgangsart schnell bekannt in und mit Andermatt. Die Galeristen Heidi
und Franz Leupi hatten OtGO im Juni 2022 einen Monat lang für ein
offenes Atelier in die Galerie Art87 geholt. Dort sah ihn der
Kunstsammler Christoph Hürlimann, der das Kunstdepot Göschenen nicht
nur als festen Platz für Werke seiner Sammlung nutzt, sondern mit der
privaten Stiftung Kunstdepot Kunstschaffenden aus der ganzen Welt in
den Sommermonaten Gelegenheit zum Arbeiten in den Urner Bergen bietet. «Für mich waren die zwei Monate in
Göschenen ein Geschenk»,
sagt OtGO. Von Kindheit auf in der Mongolei tief mit der Natur
verbunden, erlebt er die Bergwelt in Uri auf ganz intensive Weise. Kaum
angekommen, macht er sich im Mai dieses Jahres sofort auf Wanderschaft
im nahen Wald von Göschenen. Die steilen Berge, der raue Fels, die
farbigen Flechten, das dichte Moos berühren ihn. Er beobachtet über
die Wochen, wie sich die Pflanzen zu voller und farbiger Pracht
entwickeln. Wie sich das kalte Frühjahr in einen heissen Frühsommer
verwandelt. «Der erste Eindruck ist
wichtig», sagt er. «Ich habe
jeden
Stein und jeden Baum mit Liebe angeschaut und eine tiefe Dankbarkeit
empfunden.» Die Natur sei ihm so urig wie in der Urzeit
vorgekommen.
«Die Moose wurden zu meiner Muse»,
spielt OtGO schelmisch lächelnd
wieder mit Worten.
Göscheneralp
Uri Switzerland
Seele des Waldes getroffen
Einmal sei er im Wald auf wenigen Metern Entfernung einer Gämse
begegnet, erzählt der Künstler. Sie habe ihn lange neugierig
angeschaut, sich um ihn herum bewegt, Abstand gehalten, aber keine
Scheu gezeigt. «Ich habe in der
Gämse die Seele des Waldes getroffen», erklärt OtGO voller
Überzeugung und schiebt dann lachend noch eine «Gämsehaut», die ihn überkommen
habe, in den Satz.
Seine tiefe Empfindsamkeit für die Natur, sein Spürsinn gegenüber
Lebewesen jeglicher Art prägen auch seine Bilder, die in tiefer,
stundenlanger Versunkenheit aus seinem Bauchgefühl heraus entstehen.
Pinselstrich für Pinselstrich einmal gemalt und gesetzt entsteht ein
unglaubliches Dickicht aus menschlichen Figuren, tierischen Körpern,
filigranen Mustern, die in Form und Farbe von Weitem betrachtet, eine
innere Dynamik zeigen – wie sie sich geradezu herdenhaft in Wellen
über die Leinwand zu bewegen scheinen.
«Wenn ich etwas Neues schaffe, höre
ich auf zu denken», sagt OtGO.
Er suche nichts, vielmehr würden die Farben auf ihn warten, ihm keine
Chance lassen und ihren Weg Strich für Strich auf die Leinwand finden.
«Buddhistische Grundform des Malens»,
nennt er es. Es stehe kein Plan
hinter seinem Malen, erst wenn sich sein Bauchgefühl abschwäche, wie
ein innerer Wurm, der sich nicht mehr rühre – erst dann sei ein Bild
fertig. Das könne bei manchen Werken sogar über Jahre gehen. In
seinem Berliner Atelier gebe es solche Bilder.
Im Kunstdepot Göschenen beginnt OtGO an allen fünf Leinwänden
gleichzeitig. Bedeckt sie zuerst mit unzähligen Farbschichten aus
Hand- und Fussabdrücken. «Meine
Bilder sind ein Teil von mir», sagt
er. In dieser Anfangsphase legt er die mitgebrachten Leinwände auf den
Boden und beginnt mit seiner Wanderschaft. Unzählige Meter läuft der
Künstler über die Fläche, die er erst später mit seiner Malerei
schmückt.
Während des Malens erlebt er die Zeit ganz im Hier und Jetzt, ist ganz
im Moment – heutzutage sagt man dazu Achtsamkeit üben. In OtGOs
Biografie ist das nichts Neues, vielmehr hat er sechs Jahre lang in
buddhistischen Klöstern die verschiedenen Techniken und Ikonografien
der Miniaturmalerei sowie deren spirituellen Hintergrund gelernt und
studiert. Er sei durch und durch Buddhist, und da gehe es um das Leben
im Jetzt, sagt er.
Bilder erzählen Geschichten
Für ihn habe Meditieren nichts mit zeitgenössisch verstandenem
Stressabbauen zu tun, sondern mit tiefem und bewusstem Erleben des
Unbewussten, das wiederum zum Erwachen (Buddha bedeute «der Erwachte»)
führe. «Meditation heisst auf Mongolisch tief denken und ist etwas
Philosophisches», erklärt OtGO. Das Nachdenken über das, was seine
Bilder ausdrücken, komme aber erst nach dem Malen. Dann sehe er
plötzlich, was in seinem Inneren gearbeitet habe. Und plötzlich
erkennt man zum Beispiel Bomben in Miniatur, die vom Himmel regnen,
neben unzähligen kleinen, hängenden Schweinehälften.
Für den Künstler eine Verarbeitung von Themen wie Ukrainekrieg,
Massentierhaltung und übermässigem Fleischkonsum. «Jeder kann in den Bildern seine
Geschichten lesen, die er mit seinem Denken verbindet»,
unterstreicht OtGO. Er möchte bewusst keine Interpretationsvorgabe
leisten. In einem der Otgöschenen- Bilder ist der Wald, in dem OtGO so
viele Stunden während seines Gastaufenthaltes verbracht hat, deutlich
zu erkennen. Seine tiefe Verbindung zur Natur, in der er Ruhe findet
und aus der er seine Kraft schöpft. Innere Ruhe und Kraft, die ihn
zwei Monate so intensiv spüren lassen, als habe er zwei Jahre in
Göschenen erlebt. Deswegen sei es ihm auch möglich, in nur acht
Wochen eine Bilderserie zu schaffen, die in ihrer Kleinteiligkeit so
wirkt, als würde man zwei Jahre dafür brauchen.
OtGO und Uri scheint auch eine besondere Verbindung zu sein.
Wiederkommen würde er auf jeden Fall. «Wenn es meine Familie erlaubt»,
sagt der zweifache Vater und lacht wieder.